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Anspruch auf Kindergartenbegleitung auf Kosten der Krankenkasse

Datum: 17.12.2018

Kurzbeschreibung: Anspruch auf Kindergartenbegleitung auf Kosten der Krankenkasse

Ein an Diabetes mellitus Typ I erkranktes Kind (3 ½ Jahre) hat gegen eine Krankenkasse Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Begleitperson, um ihm den Besuch eines Regelkindergartens (Mo – Fr. von 7:00 Uhr bis 13:30 Uhr) zu ermöglichen. Dies hat unlängst das Sozialgericht Reutlingen in einem Beschluss des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden.

 

Bei der Klägerin besteht ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ I, der regelmäßige Blutzuckerkontrollen und die Gabe von Insulin über eine Insulinpumpe erfordert. Aufgrund schwankender Blutzuckerwerte kommt es bei der Klägerin immer wieder zu – teils lebensgefährlichen – Über- bzw. Unterzuckerungen, die ein sofortiges Eingreifen erfordern. Um weiter den Kindergarten besuchen zu können, beantragten ihre Eltern beim an sich zuständigen Sozialhilfeträger die Bereitstellung einer Begleitperson, um die Klägerin während des Kindergartenbesuches zu beobachten, zu beaufsichtigen und nötigenfalls einzugreifen. Der Sozialhilfeträger sah seine Zuständigkeit für nicht gegeben an und leitete den Antrag an die Krankenkasse weiter. Diese zeigte sich zwar bereit, bei entsprechender ärztlicher Verordnung Blutzuckermessungen und Insulingabe zu gewähren. Die Übernahme von Kosten für eine Begleitperson während des Kindergartenbesuchs lehnte sie jedoch ab. Diese Aufgaben könnten von den Erzieherinnen des Kindergartens erbracht werden.

 

Dieser Auffassung widersprach das Sozialgericht Reutlingen und verpflichtete die Krankenkasse zur Übernahme der Kosten für eine Begleitperson während des Kindergartenbesuchs. Um der Klägerin einen weiteren Kindergartenbesuch zu gewährleisten, würden die von der Krankenkasse zu erbringenden Leistungen der Blutzuckermessungen und der Insulingabe nicht ausreichen. Vielmehr bestehe ein weiterer Bedarf, der durch die Erzieherinnen nicht gedeckt werden könne. Aufgrund des Diabetes mellitus mit stark schwankenden Blutzuckerwerten müsse die Klägerin während des Kindergartenbesuchs ununterbrochen beobachtet werden. Bei etwaigen Anzeichen einer Unterzuckerung sei es erforderlich, sofort entsprechend zu reagieren, beispielsweise durch Motivation zur Bewegung. Auch müsse beim Essen darauf geachtet werden, dass die Klägerin die richtige Menge zur richtigen Zeit esse. Auch benötige sie Unterstützung beim Toilettengang, um zu verhindern, dass die Nadel der Insulinpumpe herausgezogen werden. Diese Aufgaben könnten durch die Erzieherinnen nicht geleistet werden, da sie dabei ihre Aufsichtspflicht gegenüber den anderen Kindern vernachlässigen würden. Zwar sei für die Übernahme der Kosten für eine Begleitperson an sich der Sozialhilfeträger zuständig. Dieser habe jedoch den Antrag bindend an die Krankenkasse weitergeleitet, so dass diese die Kosten zu übernehmen habe. Möglicherweise könnte allerdings die Krankenkasse vom Sozialhilfeträger Erstattung der entstandenen Kosten verlangen.

 

Beschluss vom 8.11.2018 (Az.: S 1 KR 2376/18 ER) - noch nicht rechtskräftig -

 

Hinweis zur Rechtslage:

 


§ 19 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XII] – Auszug –:

Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

 

§ 53 SGB XII – Auszug –:

Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. (…) Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

 

Haben Sie Fragen zu dieser Pressemitteilung, so können Sie sich gerne an die Pressestelle des Sozialgericht Reutlingen wenden:

 

Raphael Deutscher

Richter am Sozialgericht

Tel. 07121/940-3333 

 

Vertreter: Holger Grumann

Vizepräsident des Sozialgerichts

Tel. 07121/940-3319

 

Erreichen Sie keinen von beiden, können Sie auch Herrn Rother, Präsident des Sozialgerichts Reutlingen, kontaktieren (Tel. 07121/940-3317).

 

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